Logo der Apotheken Umschau

Im März 2024 feierte Uschi Glas ihren 80. Geburtstag – kein Grund für Schauspielerin, nicht weiterhin deutlich ihre Meinung zu sagen und sich ihren vielfältigen Projekten zu widmen. Im Jahr 1968 war ihr mit der Komödie „Zur Sache, Schätzchen“ der schauspielerische Durchbruch gelungen, bis heute steht sie regelmäßig vor der Kamera. Außerdem ist sie Schirmherrin der Deutschen Stiftung für Patientenschutz. Im Interview spricht Uschi Glas über ihre Kindheit, ihren Weg zur Schauspielerei und ihr politisches Engagement.

Frau Glas, bereits vor 20 Jahren ist Ihre Biografie erschienen. Ist Ihr neues Buch „Ein Schätzchen war ich nie“ jetzt die Fortsetzung?

Uschi Glas: Nein, es ist als Mutmachbuch zu verstehen. Anhand von Beispielen aus meinem Leben zeige ich, wie wichtig es ist, sich treu zu bleiben. Dass man sich nicht über­reden lassen sollte zu etwas, das man eigentlich nicht machen möchte. Ich möchte Mut machen, aufzustehen und Widerspruch einzulegen, wenn einem etwas nicht passt.

Ist es Ihnen denn immer gelungen, Ihren Prinzipien treu zu bleiben?

Glas: Nicht immer, aber bei wichtigen Entscheidungen im Großen und Ganzen schon. Auch einige Filmprojekte habe ich deswegen abgelehnt und bin dafür auf völliges Unverständnis gestoßen – sowohl bei meiner damaligen Agentin als auch bei meiner internationalen Agentur. Entweder kannst du eine Rolle so verinnerlichen, dass du sie in dem Moment bist – oder du kannst es nicht. Dann musst du sagen: „Das möchte ich nicht spielen.“

Sie haben eine klare Meinung zu vielen Dingen. Wie sehr beschäftigt Sie die aktuelle Weltlage?

Glas: Leider ist die Welt sehr aus den Fugen geraten und darüber mache ich mir Gedanken. Man muss wieder auf die Straße gehen und Gesicht zeigen! Ich war immer schon ein politischer Mensch. Nichts zu sagen, um nirgends anzuecken, war nie meins.

Uschi Glas mit Schauspielkollege Henry van Lyck im Spielfilm „Zur Sache, Schätzchen“ (1968).

Uschi Glas mit Schauspielkollege Henry van Lyck im Spielfilm „Zur Sache, Schätzchen“ (1968).

Ihre Geschwister und Sie sind in einfachen Verhältnissen in Nieder­bayern aufgewachsen. Als Kind erfuhren Sie dort sehr viel Ausgrenzung …

Glas: ... denn wir waren evangelisch im sehr katholischen Niederbayern. Immerhin durften wir mit den Flüchtlingen, zumeist ebenfalls evangelisch, die katholische Kirche mitnutzen. Wenn nach dem evangelischen Gottesdienst der Mesner oder Ministrant Weihrauch schwenkend die Kirche ausräucherte, beschäftigte mich das schwer: Warum machen die das? Was ist mit uns nicht in Ordnung? Außerdem wurde ich von anderen Kindern wegen meines eher dunklen Teints und den schwarzen Locken gehänselt.

Haben solche Erlebnisse Ihren ­Widerspruchsgeist geprägt?

Glas: Ich beschloss damals, mich nicht unterkriegen zu lassen. Es wurmte mich auch, dass mein Vater zu Hause das letzte Wort hatte, auch meine Mutter durfte dann nichts mehr sagen. Wa­rum soll der das letzte Wort haben? Nur weil er ein Mann ist? Das konnte ich unmöglich akzeptieren.

Hat Ihr Vater Sie auch geschlagen?

Glas: Zum Glück nicht. Ich musste zur Strafe allein am Katzentisch essen. Das stank mir auch wahnsinnig. Wenn mich meine Geschwister dann angrinsten, war ich doppelt bockig.

Leider ist die Welt sehr aus den Fugen geraten und darüber mache ich mir Gedanken. Man muss wieder auf die Straße gehen und Gesicht zeigen!

Wie schwierig war es für Sie damals, Ihren Traum von der Schauspielerei umzusetzen?

Glas: Schon als Schulmädchen spielte ich meine kleinen selbst verfassten ­Einakter mit meinen Freundinnen auf der Terrasse unserer Nachbarin. Der Wunsch Schauspielerin zu werden, machte sich heimlich in mir breit. Aber weder Familie noch Freundinnen erzählte ich davon. Selbst meine Reclam-Hefte mit Theaterstücken, die ich heimlich kaufte, hielt ich versteckt, damit es nicht hieß: „Was ist das für ein Unsinn!“. Ich dachte nur: „Eines Tages gehe ich nach München und nehme Schauspielunterricht!“ Irgendwie wollte es der Zufall, dass ich Filmleuten begegnete. Es gab in meinem Leben immer wieder Weggabelungen, an denen ich Menschen traf, die mir halfen. Vielleicht war das Zufall, Schicksal oder der liebe Gott, keine Ahnung. Auf jeden Fall hatte ich insgesamt sehr viel Glück.

Im März war ihr 80. Geburtstag. Wie gehen Sie mit dieser Zahl um?

Glas: Ich freue mich, dass ich 80 werden durfte und genieße jeden Tag. Ich wurde schon vor meinem 30. gefragt, wie ich mich damit fühle und antwortete: „Keine Ahnung, ich war noch nie 30.“ Ich weiß auch nicht, wie man sich mit 80 fühlen soll. Ich bin gesund, kann denken, mich bewegen und meine Projekte machen. Und ich habe meine Familie – es geht nicht besser!

Ich wurde schon vor meinem 30. gefragt, wie ich mich damit fühle und antwortete: „Keine Ahnung, ich war noch nie 30.“

Apropos Projekte: Sie sind Schirmherrin der Deutschen Stiftung
Patientenschutz. Was haben Sie aus Ihrem Engagement mitgenommen?

Glas: Erst dadurch wurde mir klar, wie wichtig eine Patientenverfügung ist. Freunde und Angehörige wissen, was sie tun oder lassen sollen, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Außerdem habe ich im Laufe der Jahre immer wieder Hospize besucht und mit den Menschen dort gesprochen. Das waren bewegende Begegnungen, aus denen ich vieles gelernt habe.

Hatten Sie anfangs Hemmungen, sich dem Thema zu nähern?

Glas: Vor meinem ersten Hospizbesuch beschäftigte mich die Frage: Was zieht man denn da an? Schwarz schien mir nicht angemessen. Ich war sehr nervös, und als ich da ankam, wurde ich freudig begrüßt, es gab Kaffee und Kuchen. Ich war überrascht, wie die meisten Menschen dort ihren letzten Weg angenommen hatten.

Sie haben sich 2021 für die Corona-Schutzimpfungen starkgemacht. Danach sind Sie hart angegangen und sogar bedroht worden. Wie sind Sie damals damit umgegangen?

Glas: So etwas perlt nicht einfach ab. Mir war klar, dass ich mir einiges würde anhören müssen. Aber, dass es so massiv werden könnte, dass ich Briefe und E-Mails mit Beschimpfungen und Morddrohungen und einem derartigen Hass bekommen würde, das hätte ich nicht gedacht. Was sind das für Menschen, die ihre Zeit damit verbringen, andere zu beleidigen? Von denen lasse ich mir nicht vorschreiben, was ich tue und was nicht.

Sie lassen sich wirklich nicht schnell unterkriegen. Wie gehen Sie damit um, wenn Ihnen jemand im Straßenverkehr einen Vogel zeigt?

Glas: Ich lächle ihn oder sie an. Die meisten sind dann irritiert, manchen ist ihr Verhalten unangenehm. Das macht mir sofort gute Laune und ich denke: „Der pampt jedenfalls nicht gleich den Nächsten an.“

Liegt das am Uschi-Glas-Bonus oder würde mir das auch gelingen?

Glas: Hundertprozentig! Probieren Sie das mal: Wenn einer Sie ganz böse anschaut, lächeln Sie!

Das muss man erst einmal hinkriegen, in so einer Situation zu lächeln.

Glas: Fangen Sie gleich an zu üben!